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Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz

Bischof Bertram zur Situation im Nahen Osten: „Pflugscharen sind zu Waffen geworden“

25.09.2024

Fulda/Augsburg (pba). Bischof Dr. Bertram Meier hat sich kurz vor dem Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober gegen Judenhass und Antisemitismus ausgesprochen: „Christinnen und Christen stehen an der Seite jüdischer Frauen, Männer und Kinder!“ Im Rahmen der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda hatte Bischof Bertram sich zuvor mit dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Pierbattista Kardinal Pizzaballa, über die Lage im Nahen Osten ausgetauscht.

In einem Pressegespräch an diesem Mittwoch betonte der Bischof, der der DBK-Kommission Weltkirche vorsteht, dass uns in diesen Tagen drastisch vor Augen geführt werde, wie ernst es um die Region stehe. Die Gefahr einer weiteren Eskalation sei größer denn je. Auch der gesellschaftliche Riss zwischen beiden Völkern sei tiefer denn je. Gleichzeitig blickte der Bischof auch zurück auf den 7. Oktober 2023, als die Hamas ein Massaker in Israel verübte. Aufgrund der daraus folgenden Entwicklungen würden sich viele Jüdinnen und Juden auch in Deutschland nicht mehr sicher fühlen. Bischof Bertram: „Judenhass und Antisemitismus dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben!"

Die Forderung nach Dialog

Der 7. Oktober markiere allerdings auch für viele palästinensischen Menschen eine Zensur. Die von den deutschen Bischöfen immer wieder geforderte Verhältnismäßigkeit der militärischen Gegenreaktion Israels sei angesichts der unzähligen Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen nicht mehr gegeben. Die Katholiken in der Region würden hingegen auf beiden Seiten leben, viele von ihnen seien bei Bombardements im Gazastreifen ums Leben gekommen. Im Hinblick auf die Lösung des Konfliktes ist er mit dem Jerusalemer Patriarchen einer Meinung: "Es braucht Dialog und Diplomatie!" Abschließend betonte er, dass die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Bundesregierung, ihren Druck auf Israel erhöhen und auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeiten müsse. Nur sie könne Freiheit, Sicherheit und Stabilität gewährleisten. Dazu bedürfe es dringend des Dialogs, der politische, ethnische und religiöse Grenzen überwinde.

Der Krieg macht Fortschritte im Heiligen Land zunichte

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Oberhaupt der lateinischen Christen in Israel, Palästina, Jordanien und Zyern, schilderte die aktuelle Lage im Heiligen Land. Seit dem 7. Oktober sei man in einen Strudel der Ereignisse geraten und häbe Tod, Zerstörung, Gewalt, Ressentiments und Rachegelüste erleb. Das schwierige Agieren der Kirche beschrieb er wie folgt: "Während wir mit Gottes Hilfe versuchen, eine Brücke zu schlagen, zu vermitteln und die letzte Hoffnung auf Verhandlungen an einem seidenen Faden festzuhalten, scheint sich die politische Situation vor Ort immer weiter zu verschlechtern. [...] Leider sieht es nicht so aus, als gäbe es kurzfristig eine Aussicht auf Frieden." Viele Fortschritte der Vergangenheit seien zunichtegemacht worden. Die politische Krise habe sich auch auf die Religionsgemeinschaften ausgewirkt, deren Oberhäupter sich nicht mehr zum Dialog treffen könnten, sondern im eigenen Schmerz gefangen seien. Das eigene Herz sei so voll, so überflutet, so zerrissen vom Schmerz, dass für den Schmerz der anderen kein Platz mehr bleibe.

Ein Glaube, der stützt, stört und aufrüttelt

"Man muss erkennen, dass die Worte Gerechtigkeit, Wahrheit, Versöhnung und Vergebung keine bloßen Wünsche zum Ausdruck bringen, wie es vielleicht bisher der Fall war, sondern dass sie in realen, gelebten Kontexten eine gemeinsame Interpretation finden und wieder zu glaubwürdigen und erwünschten Begriffen werden müssen, ohne die es schwierig sein wird, an eine andere Zukunft zu denken.

Bischöfe beim Pressegespräch

Beim Pressegespräch ging es um den aktuellen Konflikt im Heiligen Land.

Wir werden daran glauben müssen, dass unsere Zukunft anders aussehen kann als die, die Krieg und Gewalt derzeit vorhersagen.", so der Patriarch. Die Aufgabe der Kirche angesichts der Brutalität des Krieges sehe er darin, den "Bildern und Worten des Schmerzes und des Hasses Bilder und Worte der Hoffnung und des Lichts" entgegenzuhalten. Eine durch Gewalt, Hass und Verachtung geprägte Sprache bezeichnete er als ein "Hauptwerkzeug" in diesem Krieg. Der Glaube hingegen müsse in dieser Situation eine Stütze sein, aber er müsse auch stören und aufrütteln. Trotz der religiösen Unterschiede "lieben wir einander, und wir wollen, dass sich diese Liebe nicht nur in unserem eigenen Leben, sondern auch in unseren jeweiligen Gemeinschaften konkretisiert. Einander zu lieben bedeutet nicht unbedingt, die gleiche Meinung zu haben, sondern zu wissen, wie man sie zum Ausdruck bringt und wertschätzt und sich gegenseitig zu respektieren und willkommen zu heißen". Die Kirche werde die großen politischen Probleme des Nahen Ostens und des Heiligen Landes nicht lösen können, aber sie werde weiterhin im Heiligen Land bleiben, ein Wort der Wahrheit und der Versöhnung sprechen und allen Menschen Hilfe und Nähe zukommen lassen.

Hintergrund

Jedes Jahr im Herbst treffen sich alle katholischen Bischöfe Deutschlands in Fulda, der Stadt des heiligen Bonifatius, um sich über aktuelle Themen zu beraten. Vom 23. bis 26. September werden dort zahlreiche Gespräche geführt, Beschlüsse gefasst und Arbeitssitzungen abgehalten. Die Vollversammlung, die nicht öffentlich stattfindet, ist das höchste Gremium der katholischen Kirche in Deutschland. Gast ist dieses Jahr Pierbattista Pizzaballa, der Lateinische Patriarch von Jerusalem.

 

Ein Video des Pressegesprächs ist online verfügbar.