„Abbruch heißt Aufbruch!“
Noch einmal war es voll, seit langer Zeit einmal wieder. Jetzt hat die Kirche „Zu den Acht Seligkeiten“ in Füssen aufgehört, eine Kirche zu sein: Mit einem Pontifikalamt zur Profanierung des 60 Jahre alten Gotteshauses wurde die Kirche am Sonntagabend „entwidmet“. Sie soll abgerissen werden und einem Neubau von Kindergarten und kirchlichem Begegnungszentrum weichen. Den zahlreich erschienenen Gläubigen rief Bischof Dr. Bertram Meier zu: „Seien wir uns bewusst: Kirche ist nicht nur das Gebäude aus Stein, Kirche sind die Menschen, wir alle. Abbruch heißt Aufbruch!“
Die 1966 vom damaligen Diözesanbischof Josef Stimpfle geweihte Kirche war für die in diesen Jahren stark wachsende Bevölkerung und die nahe gelegene Bundeswehr-Garnison ausgelegt. Heute ist sie nicht nur zu groß geworden, sondern wäre, wie viele andere in den 60er- und 70er-Jahren errichteten Kirchenbauten auch, dringend sanierungsbedürftig - „aus energetischer Sicht ist die Immobilie eine Katastrophe“, sagte der Bischof in seiner Predigt. Statt einer teuren Wiederherstellung entschieden sich Pfarrgemeinde und Kirchenverwaltung für einen Neubau eines Begegnungszentrums, in dem weiterhin Platz für Gottesdienste sein wird. Auch der Kindergarten St. Gabriel wird hier, neu errichtet, sein Zuhause finden.
Pfarrer Frank Deuring bezeichnete diesen 22. September als einen Wendepunkt: „Vor knapp 60 Jahren wurde dieses Gotteshaus mit großer Freude und großem Enthusiasmus gebaut. Aufbruchstimmung und der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils wirkten in der Pfarrei Zu den Acht Seligkeiten. Heute, mit diesem Gottesdienst, werden wir vor eine andere Realität gestellt. Auch wenn Neues entsteht, erfahren viele Menschen den Abbruch als großen Schmerz, weil ihnen dieses Gotteshaus ans Herz gewachsen ist und ein wichtiger Ort der Gottesbegegnung war."
„Alles hat seine Stunde", diesen Satz aus dem Alten Testament hatten die Gläubigen während des Gottesdienstes gehört. Bischof Bertram: „Ja, es tut in der Seele weh, wenn eine Kirche dichtgemacht, dem Abriss preisgegeben wird. Gottes Zusagen aber bleiben und gelten damals wie heute: Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, das ER aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat...Der heutige Tag ist ein Auftrag für Sie, liebe Christen in Füssen: Seien Sie als lebendige Steine Zeuginnen und Verkünder seiner frohmachenden und befreienden Botschaft. In Ihnen zeigt sich Gottes Liebe! Seien Sie - weiterhin - füreinander da und für die Menschen in Ihrem Umfeld – seien Sie treue Jüngerinnen und Jünger Jesu Christi!"
Die eigentliche Profanierung der Kirche fand am Ende des Gottesdienstes statt. Der Tabernakel wurde geleert, das Allerheiligste aus der Kirche hinausgetragen - nicht wenige derjenigen Menschen, die in dieser Kirche getauft oder gefirmt wurden, die hier geheiratet oder sich von nahen Angehörigen verabschiedet haben, hatten in diesem Moment feuchte Augen. Bischof Bertram hatte für sie angesichts der Neubaupläne einen Trost parat: „Kirche wird weiterhin bei den Menschen sein. Im Füssener Westen wird 'die Kirche im Dorf bleiben', aber sie wird anders präsent sein, als Sie es gewohnt waren. Aber Eines steht fest: Die Kirche bläst nicht zum Rückzug, die Kirche bleibt präsent!"