Das „Herrgöttle“ feiert 500. Geburtstag
Mit einem festlichen Gottesdienst hat an diesem Sonntag in der Wallfahrtskirche Biberbach das Jubiläumsjahr anlässlich des 500. Jahrestages des „Herrgöttles“ begonnen. Das von den Einheimischen liebevoll so getaufte gewaltige Kruzifix mit einer Armspannweite von 2,07 Metern war 1525 in den Wirren der Reformationszeit nach Biberbach gekommen. Im Mittelpunkt des Freiluftgottesdienstes stand aber die Weihe fünf neuer Glocken durch Bischof Dr. Bertram Meier.
Bischof Bertram gestand zu Beginn seiner Predigt ein, dass er „innerlich schmunzeln“ müsse, „wenn ich an die Verkleinerung, ja fast das Kosewort denke, mit der das romanische Kreuz seit 500 Jahren hier in Biberbach verehrt wird: Liabs Herrgöttle in Biberbach – das ist Seufzer und Stoßgebet zugleich! Ein echter Vertrauensbeweis, ja, wenn man die Armspannweite von 2,07 m betrachtet, auch ein kindlich-aufrichtiger Ausdruck von Zuversicht. Wie sich ein Kind dem Vater in die ausgebreiteten Arme wirft und den Moment des Geborgenseins am Herzen des Vaters genießt, so dürfen wir seit der Auffindung dieses einst buchstäblich weggeworfenen Kreuzes in den weit geöffneten Augen des Heilandes Trost und Erbarmen lesen.“
Das Kruzifix war vor fast 500 Jahren nach Biberbach gekommen. Ein Weinhändler hatte es in den Wirren der Reformation in einem Straßengraben gefunden und auf seine Kutsche geladen. In Biberbach scheuten die Pferde und wollten erst weiter, nachdem das Kreuz abgeladen worden war – und dort blieb es bis heute. Bischof Bertram: „Tausende und Abertausende haben in den vergangenen fünf Jahrhunderten ihre Schritte hierher gelenkt. Es waren junge, leichtfüßige Schritte darunter, aber bestimmt noch mehr gramgebeugte Menschen, die schwer unter der Last körperlicher und seelischer Schmerzen trugen. Menschen, denen das eigene Kreuz schier den Atem abdrückte und die hier in die Knie gingen, voller Hoffnung, dass der Segen, der vom Altar ausgeht, ihnen wieder Kraft schenkt, aufzubrechen, ihr persönliches Kreuz zu schultern und zu wissen: Gott geht alle Wege mit! So schrieb Pater Alfred Delp, der am Lichtmesstag 1945 seinem Henker in die Augen sah, weil er Gott mehr gehorchen wollte als den Menschen (Apg 5,29), wie vor ihm schon die Apostel Petrus und Paulus und unzählige andere Märtyrer.“
Das Kruzifix ist derzeit, wie der gesamte Kirchenraum, wegen Sanierungsarbeiten eingerüstet. Die Heilige Messe fand daher bei kühlem, aber trockenem Wetter auf dem Kirchplatz statt. Dort weihte der Bischof zu Beginn des Gottesdienstes fünf neue Glocken, die erst vor wenigen Monaten gegossen worden waren. Die bisherigen Glocken waren kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges eingebaut worden und aufgrund der damaligen Verhältnisse von minderer Qualität. Als vor wenigen Jahren klar war, dass man sie würde austauschen müssen, bewiesen die Biberbacher ihre große Verbundenheit mit ihrer Kirche: Innerhalb von nur einer Woche fanden sich genug Spenderinnen und Spender für die neuen Glocken und für den Glockenstuhl, der ebenfalls saniert werden musste. Eingebaut werden die neuen Glocken im Herbst. Bischof Bertram: „Wenn wir heute eine Glockenweihe feiern, dann kann uns auch sie zu einem Instrument, einem Werkzeug der Gnade werden. Gott sei Dank haben wir noch das Angelus-Läuten, das der hl. Franziskus als Idee aus dem Orient nach Europa gebracht hat, weil er vom Gebetsrufen des muslimischen Muezzins so beeindruckt war.“
Am ersten Advent sollen die neuen Glocken zum ersten Mal läuten – den Herrgöttle von Biberbach wird`s sicher freuen.