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Portraitreihe "Unsere Dekane"

Klaus Bucher: Barock in „Broidadal“

12.08.2024

(Breitenthal) Das Kirchliche war dem Mesnersohn und heutigen Dekan von Günzburg schon von Anfang an in die Wiege gelegt, auch wenn eine Zeitlang aus Klaus „Bucher“ fast ein Klaus „Buchdrucker“ geworden wäre. Im ländlichen Dreieck zwischen Ulm, Augsburg und Memmingen fühlt er sich schon sein ganzes Leben lang wohl – und führt als Pfarrer und Dekan genau das fort, was er auch als Bub bereits gemacht hat.

Wer mit dem Auto von Augsburg nach Breitenthal kommt, wird bereits während der Fahrt auf die Begegnung mit Klaus Bucher und seiner Heimat eingestimmt. Vorbei an der bekannten (barocken) Wallfahrtskirche Maria Vesperbild und dem kirchlich-karitativ geprägten (barocken) Ursberg geht die Fahrt mal über gepflegte Bundesstraßen und dann wieder über kurvige Landstraßen, bis schließlich zuerst die (barocke) Breitenthaler Kirche Heilig-Kreuz mit dem (barocken) Pfarrhaus am Horizont auftauchen, auf einem sanften Hügel über dem Ort thronend und an der Westseite mit einem (neubarocken) Chronogramm geschmückt. Ganz klar: Wir sind im schwäbischen Barockwinkel angelangt. Insofern naheliegend, dass man vom die Tür öffnenden Pfarrer und Dekan gleich einmal wissen will, mit welchem kulturgeschichtlichen Zeitalter er sich identifiziere? Keine Frage: „Ich bin vom Typ her eher barock“, lacht Klaus Bucher und lädt zu Kaffee und Krapfen ein.

Aber was heißt „barock“ für ihn? „Wir sind Teil einer Prozession durch die Jahrhunderte“, ist sich der äußerlich weniger barocke denn schlanke Geistliche sicher und zündet sich nach Rücksprache mit dem Besucher eine seiner geliebten deutsch-brasilianischen „Moods“-Zigarillos an, deren zugehöriger Aschenbecher neben einer Miniatur-Kreuzesdarstellung das Fensterbrett ziert. Das heiße freilich aber nicht, im Vergangenen verharren zu wollen: „Jede Zeit hat ihre Formen“, die immer wieder neu gefunden werden müssten, betont der Dekan. Es müsse eine Gleichzeitigkeit von Neu und Alt geben, die man finden und geschehen lassen müsse. Eine Gemeinsamkeit aber gebe es trotz aller Vielfalt immer: „Uns sind welche vorausgegangen, hinter uns kommen hoffentlich auch noch welche, und wir gehen gemeinsam dem Herrn entgegen.“

Kein geradliniger Weg

Auch in seinem persönlichen Lebensweg seien ihm Menschen vorausgegangen, die ihn geprägt haben. Grundlegend für seine Entscheidung zum Priestertum, die er bereits als Kind im Vöhringer Ortsteil Illerzell getroffen habe, sei sicherlich auch die Tatsache gewesen, dass sein Vater dort als Mesner arbeitete und der 1966 geborene Klaus damit von Anfang an „in diese Szene hineingewachsen“ sei, wie der heutige Dekan erzählt. „Ich war aber auch empfänglich dafür“ – so empfänglich, dass er bereits als Bub gerne auf dem Rad die Gegend erkundete und mit einer alten Filmkamera die Kirchen und Kapellen seiner bayerisch-schwäbischen Heimat ablichtete, unter anderem auch jene, die ihm heute als Pfarrer anvertraut sind. Vor allem die „sinnliche Erfassbarkeit“ der Liturgie sei es gewesen, die ihn von Anfang an angesprochen und fasziniert habe – eine Erfahrung, die er auch heute in seine Gottesdienste zu übertragen versuche: „Katechese beginnt am Altar. So wie wir Gottesdienst feiern, so wird unser Glauben vermittelt.“

Freilich: Ganz geradlinig hin zum Altar verlief sein Weg nicht. Nach der Schule kam für Bucher eine kurze Zeit der Unsicherheit, und er machte die Ausbildung zum Drucker, um auch etwas Handfestes parat zu haben. Aber dann erwies sich seine Berufung zur geistlichen Laufbahn hin doch als stärker – zum Traumberuf Pfarrer, dem er schon in jungen Jahren anhing. „Und ich würde sagen, es ist auch heute noch mein Traumberuf“, meint Bucher, der nach seiner Priesterweihe 1997 zunächst als Kaplan in Gersthofen und dann als Benefiziat in Schwabmünchen wirkte, bevor er 2002 die Pfarrei Breitenthal und drei Jahre später die gesamte gleichnamige Pfarreiengemeinschaft unbesehen („Ich kannte die Gegend“) übernahm. Also immer zwischen Augsburg und Ulm geblieben? Nicht ganz, denn im Pastoralpraktikum verschlug es ihn auch mal nach Manching. Aber westlich des Lechs fühle er sich dann doch am wohlsten, sagt der heimatbewusste Dialektsprecher Bucher und lacht: „I bin halt dann doch a Schwob!“

Primiz unter Polizeischutz

"Das Haus des Pfarrers ist das Haus der Pfarrei": Chronogramm aus dem Jahr 2012 am Breitenthaler Pfarrhaus.

"Das Haus des Pfarrers ist das Haus der Pfarrei": Chronogramm aus dem Jahr 2012 am Breitenthaler Pfarrhaus.

Dass der Geistliche in der Region tief verwurzelt ist, steht außer Frage. Schon bei seiner Primiz waren sage und schreibe viertausend Menschen zugegen – darunter auch der aus der Region stammenden damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, der in den späten Neunzigern als eine der meistgefährdeten Personen Deutschlands galt, weshalb der Neupriester Bucher die Messe unter den wachsamen Augen von Polizei-Hundestaffeln feiern musste. Und auch wenn sich die Zeiten seitdem verändert hätten und viertausend Gäste bei einer Primiz selbst im schwäbischen Barockwinkel kaum mehr vorstellbar seien, blicke er der Zukunft doch hoffnungsvoll entgegen – nicht nur in Breitenthal, sondern im ganzen Dekanat Günzburg, dem er seit 2018 vorsteht. In 22 Jahren habe er noch nie eine Messe gehabt, in der keine Ministranten da gewesen seien, und auch im ganzen Dekanat zeige sich für ihn immer wieder: „Bei allem Umbruch, den wir gerade so erleben und der auch oft schmerzhaft ist, sind wiederum oft Aufbrüche dabei!“ Und was ist das Rezept dafür? „Einfach säen, immer wieder was aussäen in der Hoffnung, dass irgendetwas schon aufgehen wird.“

Dieses Gottvertrauen mache ihn letztendlich auch gelassen, so Bucher. Er ist dankbar dafür, neben den hauptamtlichen Mitarbeitenden in Pfarrei und Dekanat von einer großen Anzahl ehrenamtlich wirkender Männer und Frauen „in phänomenaler Weise“ mitgetragen zu werden; nur durch ihr Engagement sei seine Arbeit als Dekan letztendlich überhaupt möglich. Und wenn dann zwischen Pfarreiengemeinschaft und Dekanat, zwischen Seelsorge und Verwaltungsarbeit, zwischen Ab-, Um- und Aufbruch doch etwas liegenbleibt? „Ein Pfarrer muss heute auch sagen können: Ich tue das, was ich kann, und was ich nicht schaffe, schaffe ich halt nicht“, meint Bucher schmunzelnd und vertraut auf göttliche Gnade gegenüber menschlicher Unvollkommenheit: „Herr, es ist deine Kirche, und am Ende musst eh du es richten.“

Diese Gelassenheit und den Ausgleich zu den vielfältigen Aufgaben als Pfarrer und Dekan findet der historisch interessierte Geistliche nicht nur im Gebet und im Kontakt mit den Menschen, sondern auch bewusst abseits des Schreibtisches: Kochen und Backen, Schnaps ansetzen, Hausarbeiten erledigen und tatsächlich auch Korporale selber stärken, wie er es unlängst in einem italienischen Kloster erlernte. Und wenn das Wetter passt, dann schwingt er sich wie schon als Bub auch heute gerne noch aufs Radl und erkundet die ihm so wichtige schwäbische Heimat immer weiter. Freilich begleiten ihn heute dabei nicht mehr Drahtesel und Filmkamera, sondern E-Bike und Handy – denn auch und gerade im schwäbischen Barockwinkel bleiben weder Zeit noch Dekan gerne stehen.

Text und Bild: Julian Schmidt
Februar/August 2024

Das Dekanat Günzburg in Kürze:

  • Fläche: deckungsgleich mit dem Landkreis Günzburg
  • Größe: 17 Pfarreiengemeinschaften mit 79 Pfarreien
  • Prodekan: Christoph Wasserraab (Günzburg)
  • Bevölkerung: 68.800 Katholiken
  • Fusion: 2012 durch die Zusammenlegung der alten Dekanate Günzburg und Krumbach

Nach der coronabedingten Unterbrechung des Formates erscheinen wieder regelmäßig neue Portraits unserer Dekane. Die anderen Texte aus dieser Reihe finden Sie ebenfalls auf unserer Homepage.