Mehr als eine Wohngemeinschaft
Seit rund einem halben Jahr spüren acht junge Erwachsenen beim christlichen Orientierungsjahr "UP" ihrer Berufung nach, sie wollen Gott in ihrem Leben neu entdecken. Theresa Wiedemann ist als Teilnehmerin dabei und hat im Rahmen der Berufsorientierung ein Praktikum bei der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Medien im Bistum Augsburg absolviert. Dabei ist sie in die Rolle einer Reporterin geschlüpft und hat das Leben in der Wohngemeinschaft genauer unter die Lupe genommen.
„Weißt du schon, was du mal werden möchtest?“ – Auf diese Frage hatte Franziska bislang keine Antwort: „Nach der Schule wusste ich nicht, was ich machen soll. Dann hat mir eine Freundin die Webseite des UP´s gezeigt und ich dachte mir gleich – das muss ich machen!“ Jetzt ist sie ein Teil der UP-WG, des christlichen Orientierungsjahres des Bistums Augsburg, und sucht seit Oktober mit sieben weiteren jungen Erwachsenen eine Antwort auf diese Frage.
Es ist Montag 17 Uhr und Franziska kommt von ihrem Praktikum zurück in die modern eingerichtete WG im Augsburger Domviertel. Doch für Durchschnaufen sei nicht allzu lange Zeit, wirft die 18-Jährige gleich ein, denn „diese Woche habe ich die wichtigste Aufgabe im Haushalt, nämlich Kochen“. Nachdem sie ihre Jacke an den Garderobenständer neben der Haustür aufgehängt hat, geht es auf direktem Weg zur gemeinschaftlichen Teeküche. Dort warten bereits zwei ihrer Mitbewohner mit Block und Stift auf sie. Die drei jungen Erwachsenen müssen nicht nur den Einkaufszettel für diese Woche schreiben, sondern auch überlegen, was es diese Woche zu Essen gibt und dafür Einkäufe für die gesamte Wohngemeinschaft besorgen. Wie Franziska suchen auch die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner im Rahmen von Praktika nach ihrem beruflichen Weg.
„Die Lebensspanne zwischen 18 und 26 Jahren ist eine sehr spannende Zeit, weil sich dort unglaublich viel tut, weil dort Entscheidungen getroffen werden, die richtungsweisend sind für viele Jahre“, erklärt Tobias Riegger, einer der beiden Referenten des UP, zum Ziel des neunmonatigen Orientierungsjahrs. Es solle junge Menschen dabei unterstützen, diese wichtigen Lebensentscheidungen besonders in beruflicher Hinsicht zu treffen. Darüber hinaus gehe es darum, in der Persönlichkeit zu wachsen und zuletzt Gott neu oder das erste Mal zu begegnen. „Mit dem vielfältigen Programm, den sogenannten fünf Säulen, sollen die jungen Erwachsenen dem Slogan ‚Werde, der du bist‘ ein Stück näherkommen“, sagt Riegger.
Mit vollgepackten Rucksäcken kommen die drei aus dem Koch-Team von ihrem Wocheneinkauf im Supermarkt zurück. Auf ihrem Weg in die Küche laufen sie an der hauseigenen Kapelle neben der Eingangstüre, sowie an der großen Marienikone neben der Teeküche vorbei. Spätestens hier wird klar: Die „UP-WG“ ist keine „normale“ Studenten-WG.
Zwar sei die Säule „wertvolles Wissen“, in der man vieles über Gott und die Welt lernt wichtig. Das Fundament bleibe aber „das Leben mit Gott“, erklärt der Leiter des Orientierungsjahrs, Pfarrer Benedikt Huber, das Konzept des Orientierungsjahrs näher. So funktioniere auch die Suche nach Berufung ohne unseren Schöpfer gar nicht, ist Huber überzeugt: „In dem Wort Berufung steckt schon das Wort ‚Ruf‘ mit drin, so gibt es da jemanden, der mich in dieses Leben ruft, der mich mit Stärken ausstattet, der für mich einen Plan hat und der mir Unterstützung ist. Deswegen ist es ganz wichtig den Rufer miteinzubeziehen, denn nur so können wir darauf antworten“. Um genau diesen „Ruf“ hören zu können, werden die jungen Erwachsenen über mehrere Monate in vielerlei Hinsicht gecoacht.
In der Küche der WG sind die Einkäufe mittlerweile alle eingeräumt und das Küchenteam am Schneiden von Gemüse. „Es gibt ‚Chili con Carne‘“, verrät Franziska, während sie eine rote Paprika von ihren Kernen befreit. „Im UP hat mir das Persönlichkeitscoaching am meisten geholfen, besonders der Stärkentest, da man sich seinen Fähigkeiten konkret nicht bewusst ist. Mir haben aber auch die Einzelgespräche mit der Referentin, wie auch mit Veronika sehr weitergeholfen. Und selbstverständlich auch der Praktikumsalltag“, lobt Franziska die besondere Unterstützung, die sie beim „UP“ hinsichtlich ihrer Berufsorientierung erfährt. Die Paprika hat sie mittlerweile in Stücke geschnitten und in den Topf zu den Zwiebeln geworfen.
Die Praktikumsphase ist eines der „drei Beine“, fasst Tobias Riegger die Angebote für Berufsorientierung zusammen. Die anderen beiden sind der „geistliche Ruf“ sowie der gezielte Blick auf die Stärken des Einzelnen. Dabei sei dem UP „das Coaching von allen Seiten“ sehr wichtig. „Die jungen Erwachsenen sollen mit ihren Fragen nicht alleine bleiben, sondern diese mit Experten besprechen und dazu weitere Gedankenanstöße bekommen, um gute Entscheidungen zu treffen“, sagt Riegger.
Die Vorbereitung für das Praktikum beginnt mit den Seminaren. Dabei lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Bewerbungsschreiben- und gespräch theoretisch und praktisch kennen. Darüber hinaus, so Tobias Riegger, helfe das Persönlichkeitscoaching „den jungen Menschen, ihre Stärken kennenzulernen, zu sehen, was kann ich gut, wo möchte ich mich einsetzen, wo möchte ich hin und natürlich in den Praktika ganz direkt zu schauen, welches Berufsfeld interessiert mich.“ Dazu, fügt er entschlossen hinzu, sei es genauso wichtig den Fragen im geistlichen Bereich genügend Raum zu geben. So würden die jungen Menschen dazu ermutigt werden, im Gebet oder mit einem geistlichen Begleiter durch diese Zeit zu gehen und dem „Ruf Gottes Gehör zu schenken“.
Nicht nur in der Küche, sondern in der ganzen Etage der WG beginnt es langsam nach „Chili con Carne“ zu riechen. Franziska nimmt Messer und Gabeln, legt sie auf den Küchentisch und erinnert sich dabei an ihre gemeinsamen Erlebnisse in der WG. „Es gab sehr viele coole Momente im UP! Es war sehr schön, als wir Weihnachten gefeiert haben, aber auch die gemeinsamen Aktionen, wie Lasertag spielen oder das „Prayer Retreat“. Das seien aber nur die Highlights, versichert Franziska mit einem vielsagenden Lächeln und deutet dabei bereits auf die „Säule der Gemeinschaft“ hin, auf der das UP ebenso fußt.
„Wir wünschen uns, dass die jungen Erwachsenen das Leben in der Wohngemeinschaft teilen, mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören“, erklärt Benedikt Huber. Sie sollten es als Chance sehen, gemeinschaftlich zu wachsen und zu reifen, aber auch im Kontakt mit anderen sich selbst besser kennenzulernen. Dazu zähle natürlich auch in gemeinschaftlichen Aktionen und Ausflügen Erinnerungen zu schaffen, so Huber.
Das Kochteam hat seinen Einsatz in der Küche für diesen Tag erfolgreich zu Ende gebracht. „Essen ist fertig“ ist spätestens dann auf allen Smartphones der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner als WhatsApp-Nachricht zu lesen. Und danach ist aus der Teeküche nur eines zu hören: Lachen, Gespräche und das wilde Klirren von Besteck.
Das Orientierungsjahr „UP“ startet im Oktober in die zweite Runde. Mehr Informationen zur Bewerbung und konkreten Inhalten gibt es auf der Seite www.up-augsburg.de oder auf dem Instagramkanal „up_aux“. Bei Fragen stehen die Verantwortlichen (Tel.Nr.: 0821 3166 3211; E-Mail: up@bistum-augsburg.de) zur Verfügung.
Fotos und Text: Theresa Wiedemann