Pater Michael (Sibu Sebastian): „Menschen positiv annehmen“
(Ettringen) Vor der Haustür leben keine wilden Elefanten mehr – und im Winter friert er. Und doch ist der neue Mindelheimer Dekan dankbar dafür, wie sich sein Leben entwickelt hat. Seit 1994 wirkt der gebürtige Inder in der Seelsorge im Bistum Augsburg, vorher war er im Priesterseminar und studierte Theologie an der Augsburger Universität. Durch seine ruhige und freundliche Art hat er schnell die Herzen seiner Gemeindemitglieder gewonnen. Aber auch die Tiere freuen sich über den zugewandten Dekan - eine echte Win-Win-Situation, wie er sagen würde.
370 Kilometer ist Pater Michael (Sibu Sebastian) nach seiner Schulzeit in einem Bus durch die Nacht gefahren – sein Ziel: das Prämonstratenser-Priorat in Mananthavady. Dieses ist eine Tochtergründung der mittlerweile aufgehobenen Abtei in Obermedlingen (Landkreis Dillingen). 1983 trat er dort in den Orden ein, 1994 wurde er zum Priester geweiht.
Zwei Welten: Indien und Deutschland
Überhaupt beginnen die Augen des 1965 geborenen Dekans immer dann zu leuchten, wenn er von seiner Heimat spricht. Der christliche Glaube spielt, trotz seiner Minderheitenposition, in Indien eine enorme Rolle. Im Jahr 52 nach Christus hat der Apostel Thomas das Land erreicht und wirkte dort. Eine zweite Missionierungswelle setzte dann im 15. Jahrhundert ein, als die Portugiesen, und mit ihnen der heilige Franz Xaver, nach Indien kamen. Das Rosenkranzgebet nimmt auch heute noch eine zentrale Position ein, ganze Straßenzüge würden sich abwechselnd bei einer Familie zur Andacht versammeln. Sonntags gehe man mit der ganzen Familie zur Kirche, die Kinder blieben bis zum Nachmittag in der Sonntagsschule. „Der Glaube hat dort noch eine enorme Kraft in die Gesellschaft hinein“, betont er. Und doch muss er schmunzeln, als ihm die Frage gestellt wird, ob denn alle aus Überzeugung diese religiöse Praxis ausüben würden.
Seine Ordensgemeinschaft ist personell so stark, dass sie Priester in Teile der Welt aussendet. Allein in Deutschland leben 18 Prämonstratenserpriester aus Mananthavady. Pater Michael leitet und begleitet seine Mitbrüder in Deutschland. Er unterstützt seinen Orden mit seinem Gehalt wie alle seine Mitbrüder, dem er vieles zu verdanken hat: „Es ist ein Segen, dass wir hier in Deutschland tätig sein dürfen.“
Aus den Subtropen zum Alpenblick
Dabei war es Zufall, dass er ausgerechnet ins Bistum Augsburg gesandt wurde. Zunächst führte ihn sein Weg ins Kloster Obermedlingen, danach ins Priesterseminar Augsburg. Nach der Priesterweihe wirkte er in Jettingen-Scheppach und Buchloe. 1998 vertraute ihm der damalige Generalvikar in Ettringen die Gründung einer der ersten Pfarreiengemeinschaften an. Statt mit wilden Elefanten, „angenehmen“ 35 Grad im Winter und den großen indischen Metropolen sah er sich nun mit der schwäbischen Lebenswelt konfrontiert. Die Gemeinde Ettringen hat rund 3500 Einwohner. Nicht ganz ins Bild passen die nahegelegene Autobahn 96 und die riesige Papierfabrik im Ort. Hier fühlt er sich heimisch. Sein Büro ist allerdings in leuchtenden Farben gestrichen und erinnert ein wenig entfernt an den fernen Subkontinent. Auch die kleinen Elefantenfiguren am PC-Bildschirm sind eine Hommage an seine Herkunft.
Das Dekanat Mindelheim in Kürze:
- Umfang: 8 Pfarreiengemeinschaften mit 47 Pfarreien
- Prodekan: Martin Skalitzky (PG Türkheim)
- Bevölkerung: 43.000 Katholiken
Schon 2002 wurde er Prodekan im Dekanat Mindelheim, bald darauf auch Bischöflich Geistlicher Rat. Dekan wollte er nie werden. "Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass ein Jüngerer diese Aufgabe übernimmt", gibt er ehrlich zu. Als der Generalvikar ihn anrief, konnte er aber nicht nein sagen, da er auch umgekehrt auf die Unterstützung des Bistums habe bauen können. Die nächsten sechs Jahre möchte er als Verbindungsmensch zwischen dem Bischof, dem Ordinariat und dem Dekanat wirken. Er möchte einfach da sein für seine Mitbrüder, Diakone, Haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Gläubigen, und sie begleiten durch Gespräche und Gebet.
Kraft schöpfen beim Gebet in der Natur
Immer, wenn er mit Hund Samy in der Natur unterwegs ist, betet er auch den Rosenkranz. Lachend gibt er zu, dass er mit dem großen Berner-Senner vom benachbarten Bauernhof einen idealen Gesprächsöffner bei sich hat. Erkennbar freut dieser sich über den Besuch des Paters und seines Begleiters mit Fotokamera, stürmt aus dem Haus und streckt seinen Bauch zum Kraulen hin. Auch ein Kater lebt im Pfarrhaus, was man direkt an der gefüllten Futterschüssel vor der Haustüre erkennt. Der gehört eigentlich dem Hausmeister der benachbarten Schule, doch dessen Umzug ein paar Straßen weiter habe der Stubentiger einfach nicht mitgemacht. „Der Kater Mietz und der Hund Samy ist ein Ausgleich“, sagt der Pater im weißen Chorherrengewand. Man kann viel von den Tieren lernen. Daher verwundert es auch nicht, dass er gleich zu Beginn des Gesprächs stolz ein paar Handyfotos seiner tierischen Freunde vorzeigt.
Credo: Ruhe, Gelassenheit und Freundlichkeit
Sein Ziel ist es, Christus immer wieder näher kennenzulernen. Deshalb möchte er auch die Botschaft Jesu nicht nur verkünden, sondern auch selbst leben. Diese innere Freude über den Glauben strahle dann auch nach außen. Immer wieder kommt er bei diesem Thema auch auf Mahatma Gandhi zu sprechen. Dieser hat einst gesagt: „Sei du selbst die Veränderung in der Welt, die du dir wünschst.“ Seine Devise ist: „Durch Freundlichkeit, Herzlichkeit, Verständnis und Geduld kannst du viel mehr erreichen, als gestresst. Autorität mag ich nicht.“ Und tatsächlich würden ihn viele eher als einen „Kumpeltyp“ beschreiben. Gleich zu Beginn hat er dem Besucher das „Du“ angeboten und klopft ihm immer wieder anerkennend auf die Schulter und bedankt sich sehr für den Besuch.
Ein kurzes Resümee zu seinem bisherigen Leben gibt er abschließend sogar selbst: „Ich bin dankbar dafür, dass ich Christ bin, dass ich Priester und Ordensmann bin. Ich bin aus ganzem Herzen dankbar und möchte kein anderes Leben.“
Text und Foto: Leander Stork
März 2025
Hintergrund:
Nach der coronabedingten Unterbrechung des Formates erscheinen wieder regelmäßig neue Portraits unserer Dekane. Die anderen Texte aus dieser Reihe finden sich ebenfalls auf unserer Homepage.