„Tag der geschwisterlichen Seelsorge“: Thema „KI“
Über die Möglichkeiten und Gefahren künstlicher Intelligenz, über Chatbots und „ChatGPT“ im Rahmen der persönlichen Lebensbegleitung und Pastoral dachten an diesem Montag rund 80 hauptamtliche und ehrenamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger im Bistum Augsburg nach. Den Auftakt zum „Tag der geschwisterlichen Seelsorge“, der heuer zum zweiten Mal in Folge im Rahmen der Ulrichswoche stattfand, bildete ein Festgottesdienst mit Bischof Bertram.
Nahezu alle Lebensbereiche werden in Zukunft von den Vor- und Nachteilen der Künstlichen Intelligenz betroffen sein: auch die Tätigkeit von Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Wie diese Entwicklungen in Bereichen der Pastoral aussehen können, welche Chancen und Probleme daraus entstehen, stellte KI-Experte Martin Kutz in einem Impulsvortrag und bei interaktiver Gruppenarbeit im Haus Sankt Ulrich vor. Der Wissenschaftler ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik und im KI-Kompetenzzentrum an der Technischen Universität Dresden.
Zu Beginn seines Vortrags sprach Martin Kutz über die Grundlagen von Künstlicher Intelligenz. Diese seien gesellschaftlich mit positiven wie negativen Vorstellungen behaftet. Für die einen sei sie Erlösung, andere wiederum bewerteten sie als Apokalypse. Eine allgemeingültige und einheitliche Definition von KI gebe es nicht, stellte er fest und verwies dabei auf die menschliche Intelligenz, die gegenüber der KI auch über eine Beziehungsintelligenz, Transzendenzfähigkeit und Kreativität verfüge. In einem weiteren Punkt stellte der Referent unterschiedliche Modell der KI vor, die von der „Symbolischen KI“ bis zur „Generativen KI“ mit ihrem bekanntesten Beispiel (Chat)GPT reiche. In diesem Zug erklärte er das Funktionieren von Chatbots, die auch in der Seelsorge stellenweise schon zum Einsatz kommen. „Chatbots sind stochastische Papageien. Sie wissen nichts, glauben nichts, generieren allein Bilder“, fasste er zusammen und nahm die Menschen dahingehend selbst in die Verantwortung. „Wir müssen entscheiden, wie wir mit KI leben wollen“, so Kutz.
In einem zweiten Vortragsblock referierte Martin Kutz über die Anwendung und Auswirkung, die Chancen und Grenzen von KI in Kirche und Seelsorge. Chatbots kämen in religiösen Kontexten durchaus schon vor, sagte er und nannte Beispiele wie den „Jesus-Avatar“ in einer Luzerner Kirche, einen KI-Gottesdienst in Nürnberg oder „Father Justin“, der Informationen zur dogmatischen Lehrmeinung der Kirche gebe. Auch Roboter seien in Form von beweglichen Jesusfiguren oder Segensrobotern bereits im Einsatz, was jedoch wiederum die Frage nach dem Menschen im Angesicht von KI aufwerfe. Der Mensch als „Krone der Schöpfung“ werde vom Roboter übertroffen, betonte er und nannte ethische Auswirkungen hinsichtlich der Folgen im zwischenmenschlichen Bereich sowie der Ökologie. „KI-Systeme brauchen große Mengen an Ressourcen: Wasser, Materialien, Strom“. Den größten, erwartbaren Einfluss von Künstlicher Intelligenz in der kirchlichen Praxis sah Martin Kutz seinen Vortrag abschließend bei Predigt- und Sitzungsvorbereitungen sowie der Beantwortung von FAQ’s.
In Gruppenarbeit und mit vorbereiteten Impulsfragen konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschließend über das Gehörte und eigene Erfahrungen mit KI austauschen. Der Referent stellte dabei auch die Interaktion mit einem Chatbot vor. Die in der Pastoral tätigen Frauen und Männer konnten dem digitalen Assistenten Fragen stellen, die in der Seelsorge ebenso vorkommen. Danach wurden die Antworten des Bots verglichen und diskutiert, bevor in einer größeren Podiumsdiskussion nochmal abschließend alle Ergebnisse zusammengetragen wurden.
Einen Kontrapunkt zum Schwerpunktthema des Tages, hatte Bischof Dr. Bertram Meier bereits zu Beginn der Veranstaltung in seiner Predigt zum Festgottesdienst gesetzt. Er stellte dabei die Achtung vor dem Schöpfergott in den Mittelpunkt und warnte vor einer heute weit verbreiteten anthropozentrischen Sicht der Welt. „Als Menschen sind wir Teil der Schöpfung, nicht ihr Haupt, Mitgeschöpfe und nicht Beherrscher dessen, was uns umgibt.“ Diese Wahrheit gelte es auch heute wieder ins Gedächtnis zu rufen, sei sie in den letzten beiden Jahrhunderten doch konsequent kleingeredet und im Rausch von Forschung und Wissenschaft, von Eroberung und Inbesitznahme in ihr Gegenteil verkehrt worden. „Der Mensch hat sich zum Gott der Welt gemacht und statt seinem biblischen Auftrag zur Pflege des Garten Edens (Gen 2,15) nachzukommen, beutet er die Erde aus und gestaltet sie nach seinen Vorstellungen um – meist rücksichtslos gegenüber allem Leben, das sonst noch diesen Planeten bevölkert.“
Erst seit wenigen Jahren habe sich hier ein Umdenken eingestellt, erinnerte der Bischof und warnte gleichzeitig vor radikalen Mitteln der Umsetzung. Vielmehr sei hier ein paulinisches Denken maßgeblich. „Paulus hebt auf die Gemeinsamkeit innerhalb der Schöpfung ab, in der der Mensch nur ein Teil ist.“ Menschen seien immer der Empathie eines Gegenübers bedürftig. „Statt Krone der Schöpfung zu sein, kommt es dem Menschen also zu, seiner Verantwortung gegenüber dem Schöpfer und den Mitgeschöpfen so gut wie nur möglich gerecht zu werden“, sagte Bischof Bertram mit Verweis auf die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus.
Als Vorbild für die Menschen diene Jesus Christus. Wie er gelte es durch Wort und Tat Zeugnis abzulegen für die Liebe Gottes zu seiner Schöpfung, betonte Bischof Bertram angesichts von Veränderungen durch die Künstliche Intelligenz, die er als „Werkzeug zum Guten wie zum Schlechten“ bezeichnete. „Sicher ist: Die Künstliche Intelligenz bleibt immer Hilfsmittel und wird nie Lebewesen, nie ein adäquates Gegenüber für uns.“ Hinsichtlich des Gefahrenpotentials, das im ungeübten Umgang mit Neuerungen existiere, wies er den Pastoral Tätigen eine besondere Rolle zu. „Als Seelsorgerinnen und Seelsorger, als Mitchristinnen und Mitmenschen sind wir aufgefordert, der Engführung und psychosozialen Verkümmerung entgegenzuwirken, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen, die zu vereinsamen drohen“, so Bischof Bertram.
Der Tag der geschwisterlichen Seelsorge geht auf den Tag der Priester und Diakone zurück, der ursprünglich jährlich im Rahmen der Ulrichswoche gefeiert wurde. Seit vergangenem Jahr sollen nun alle in der Seelsorge tätigen Männer und Frauen die Gelegenheit haben, sich auszutauschen und gemeinsam neue Impulse für die pastorale Arbeit zu erhalten. Der Tag wurde von der Abteilung Fortbildung organisiert.